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Hecken, Bäume, Überhang

 

Kann man Überhang vom Nachbargrundstück beseitigen?

 

Dem Amtsgericht Spandau (Berlin) lag folgender Fall zur Entscheidung vor:

 

Die Parteien sind Nachbarn. Der Beklagte forderte die Klägerin auf, den Überhang ihrer etwa 70 Jahre alten Fichten an der Grenze zu seinem Grundstück zu beseitigen. Die Klägerin lehnte dies ab. Einige Monate später stieg ein vom Beklagten beauftragter Baumschneider mit einer Leiter von der Garage des Beklagten aus auf die Bäume der Klägerin und begann, diese zum Grundstück des Beklagten astfrei zu machen. Dabei entfernte er nicht nur den reinen Überhang, sondern schnitt die Äste stammnah ab. Er beseitigte auch Äste, die nicht in Richtung seines Grundstücks gewachsen waren. Die Polizei, die von den Nachbarn gerufen wurde, beendete schließlich die Baumarbeiten. Die Klägerin klagte u.a. auf Unterlassung zukünftiger Beeinträchtigungen und Zahlung von Schadensersatz wegen der Beschädigung der Bäume.

 

In seinem Urteil (Az. 15 C 132/11) hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben. Der Unterlassungsanspruch war begründet. Durch die Schnittmaßnahmen habe der Beklagte in den Herrschaftsbereich der Klägerin als Eigentümerin in rechtwidriger Weise eingegriffen. Insbesondere könne er sich dabei nicht auf sein Selbsthilferecht aus § 910 BGB berufen. Zwar könne ein Eigentümer die herüberragenden Zweige aus dem Nachbargrundstück abschneiden, wenn er fruchtlos eine angemessene Frist zur Beseitigung dem Eigentümer der Bäume gesetzt hat und ihn der Überhang ihn an der Nutzung des Grundstücks beeinträchtigt. Jedoch lagen diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht vor. Denn der Baumschneider habe unstreitig nicht nur den Überhang, sondern die Äste stammnah geschnitten. Darüber hinaus hat er auch solche Zweige entfernt, die nicht in Richtung des Grundstücks des Beklagten gewachsen waren. Damit habe der Beklagte die Grenzen seines Selbsthilferechts unstreitig überschritten. Nicht zuletzt liege auch keine Beeinträchtigung vor. Der Beklagte habe den Vortrag der Klägerin in Bezug auf die fehlende Beeinträchtigung durch den Überhang nicht substantiiert bestreiten können.

 

Das Gericht gab auch dem Anspruch auf Schadensersatz der Klägerin statt. Der Schadenersatz umfasste einen Geldbetrag wegen der eingetretenen Eigentumsverletzung am Grundstück und die Kosten für ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Schadenshöhe.

 

Rechtstipp:

 

Überhang bzw. Überwuchs aus dem Nachbargrundstück können beseitigt werden, wenn einige Regeln beachtet werden:

 1.

Ein Nachbar kann Überhang bzw. Überwuchs aus dem Nachbargrundstück gemäß § 910 Abs. 1 BGB beseitigen, wenn er zuvor den Eigentümer der Bäume fruchtlos unter Setzung einer angemessenen Frist zur Beseitigung aufgefordert hat. Dieses Selbsthilferecht  ist gemäß § 910 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Darlegungs- und beweispflichtig, dass von dem Überwuchs keine Beeinträchtigung des Nachbargrundtsücks ausgeht, ist der Eigentümer der Pflanzen (OLG Köln, NJW-RR 1997, 656; Feldmann/Groth/Kayser/Kleinhost, Handbuch des Nachbarrechts-Berlin, 2 Aufl., § 910 BGB, S. 119).

 2.

Wenn die Voraussetzungen für die Beseitigung des Überwuchses vorliegen, ist weiterhin zu beachten dass:

-nur der Überhang beseitigt werden darf;

-das Grundstück des Nachbarn nicht betreten wird;

-die Bäume durch die Beseitigung des Überwuchses/Überhangs nicht beschädigt werden.

 

 

Darf man Bäume auf fremdem Grundstück beschneiden?

 

Das Amtsgericht Schöneberg (Aktenzeichen 6 C 224/10) hatte über folgenden Streit zu entscheiden:

 

Die Parteien sind Nachbarn. Das Grundstück der Kläger im rückwärtigen Bereich und das Grundstück des Beklagten hatten eine gemeinsame Grenze. Sie  waren von einem Sichtschutzzaun getrennt, den die Kläger auf ihrer Seite errichtet hatten. Auf der Seite der Kläger befanden sich acht ältere Bäume und Sträucher, die seit mehreren Jahren dort standen und eine gewisse Höhe erreicht hatten. Im Sommer 2008 griff der Beklagte durch den Schutzzaun der Kläger und beschnitt unsachgemäß zwei der Sträucher. Diese gingen anschließend ein und mussten entfernt werden. Dabei wurde der Zaun beschädigt. Einige Monate später stieg der Beklagte auf einer Leiter und kappte zwei weitere Bäume vom Grundstück der Kläger mit einer Säge. Diese Pflanzen erlitten nach den Feststellungen des Sachverständigen einen Totalschaden. Ein Schiedsverfahren blieb erfolglos. Mit ihrer Klage begehren die Kläger Schadensersatz für die Beschädigung des Grundstücks und Ersatz der Kosten für die Erstellung des Gutachtens. Der Beklagte erhob Widerklage. Er begehrte Rückschnitt der verbliebenen Pflanzen sowie die Beseitigung von Überhang wegen behaupteter Verschattung seines Grundstücks.

 

Das Gericht hat den Klägern einen Schadenersatzanspruch in Höhe von ca.75% der ursprünglichen Forderung zugesprochen und die Widerklage zurückgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass die Kläger einen Anspruch auf Schadenersatz gem. §§ 249, 823 BGB besitzen. Denn der Beklagte hat durch seine unerlaubten Schnittaktionen und die Zerstörung des Zaunes das Eigentum der Kläger beschädigt. Weiterhin sah das Gericht den Beklagten als verpflichtet an, dem Kläger die Kosten für das private Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Schadenshöhe zu erstatten.

 

Die Widerklage des Beklagten wies das Gericht als unbegründet ab. Dem Beklagten stand einen Anspruch auf Beseitigung des Überwuchses nicht zu. Beurteilungsmaßstab für den streitigen Überwuchs sei § 910 Abs. 2 BGB. Danach kann der Betroffene Eigentümer die Beseitigung hinüber gewachsener Äste und Zweige nur verlangen, wenn sie die Benutzung seines Grundstücks, ausgehend von einer objektiven Betrachtungsweise, nicht nur unwesentlich beeinträchtigen (vgl. u.a. OLG Köln NJW-RR 1997, 656; OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 1367). Eine solche Beeinträchtigung konnte das Gericht nicht feststellen. Von einer Verschattung bereits am späten Vormittag, wie der Beklagte behauptete, war nicht auszugehen. Denn der Überhang befand sich an der westlichen Grundstücksgrenze, so dass die Sträucher der Kläger schon am Vormittag das Grundstück des Beklagten nicht verschatten konnten.

 

Das Landgericht Berlin wies die Berufung des Beklagten per Beschluss als offensichtlich erfolglos zurück und bestätigte damit die Entscheidung des Amtsgerichts.

 

Rechtstipp:

 

Der betroffene Grundstückseigentümer hat einen Anspruch auf Beseitigung des Überhangs gegen den Nachbarn (Eigentümer der Pflanzen), wenn der Überhang die Benutzung des eigenen Grundstücks nach objektivem Maßstab nicht unwesentlich beeinträchtigt.

 

Wenn der betroffene Eigentümer selbst Überhang fremder Pflanzen beseitigen will, muss er zunächst den Nachbarn unter Setzung einer angemessenen Frist zur Beseitigung des Überhangs auffordern. Erst nach fruchtlosem Ablauf der Frist darf er den Überhang / Überwuchs selbst beseitigen. Dabei dürfen die fremden Pflanzen nicht beschädigt werden. Das fremde Grundstück darf nicht ohne Erlaubnis betreten werden. Bei schuldhafter Beschädigung der Pflanzen ist dem Nachbarn Schadensersatz zu leisten.

 

Gibt es eine Pflicht des Nachbarn zum vorsorglichen Rückschnitt der Hecke bereits im Winter, damit in der Schonfrist zwischen dem 1. März und dem 30. September die Hecke die Maximalhöhe nicht überschreitet?

 

Die Frage, ob man Hecke, Gebüsche und Bäume zwischen dem 1. März und dem 30. September schneiden darf, wird unterschiedlich beantwortet. Deswegen herrscht oft Unklarheit darüber, ob man in dieser Zeit geschnitten werden kann, zumal Landesgesetze die Regelung aus dem BNatSchG ergänzen.

 

Die Wahrheit befindet sich im § 39 V Nr. 2 BNatSchG.

 

Hiernach ist es verboten,

Bäume, die ….., Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen;

Zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen.

 

Hierzu folgendes Beispiel:

 

LG Freiburg im Urteil vom 7.12.2017 (Az. S 171/16)

In diesem Rechtsstreit trug der Kläger vor, dass er sich von der Hecke seines Nachbarn beeinträchtigt fühlt, weil diese die zulässige Höhe überschreitet und ihm insbesondere im Sommer zu viel Licht wegnimmt. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Hecke, auch im Sommer ständig auf 180 cm zu halten ist. Der Beklagte meinte, dass er weder verpflichtet ist, in den Sommermonaten die Hecke durch Pflegeschnitt auf 180 cm zu halten noch in der Zeit vor dem 1. März vorsorglich die Hecke zu schneiden, so dass sie die zulässige Höhe im Sommer nicht überschreitet.  Das Amtsgericht hat dem Kläger Recht gegeben und den Beklagten verurteilt, die Hecke dauerhaft auf 180 cm zu halten. Auf die Berufung des Beklagten hob das Landgericht das Urteil insoweit auf mit der Begründung, dass eine vorsorgliche Kürzung auf die zulässige Höhe nicht vollstreckbar ist, weil der Wachstum der Hecke für den bevorstehenden Sommer nicht vorhersehbar ist und wegen § 12 II NachbG BW der Nachbar zur Kürzung nicht verpflichtet werden kann.

 

Hier bestand die Besonderheit, dass gem. § 12 Abs. 3 NachbG BW ein Nachbar in dieser Zeit zwischen dem 1. März und dem 30. September nicht verpflichtet werden kann, seine Hecke zu schneiden. Gleichwohl wies das Gericht darauf hin, dass ein Pflegeschnitt gem. § 39 V Nr. 2 BNatSchG nicht verboten ist.

 

In Berlin gibt es eine vergleichbare Regelung wie in § 12 Abs. 3 NachbG BW nicht. Da das Nachbarrecht Landesrecht ist, muss in jedem Fall geprüft werden, ob das jeweilige Landesgesetz für die s.g. „Schonzeit“ i.S. des § 39 BNatSchG eigene Regelung vornimmt.  

 

Rechtstipp:

Mangels einer Regelung im NachbG Berlin ist ein Pflegeschnitt im eigenen Garten i.S. des § 39 V Nr. 2 BNatSchG in der Zeit vom 1.3. bis zum 30.9.eines Jahres immer möglich.

Grunddienstbarkeit, Wegerecht

 

Welche Rechte haben Vorderlieger und Hinterlieger, wenn die Zufahrt zum Grundstück des Hinterliegers über das Grundstück des Vorderliegers verläuft?

 

 Beispiel Nr. 1

 

Der Eigentümer des vorderen Grundstücks (Vorderlieger) friedete sein Grundstück mit einem neuen Zaun ein. Zum Zufahrtsweg des Hinterliegers setzte er ein Tor und versah dies mit einer elektrischen Vorrichtung. Ab diesem Zeitpunkt bediente er das Tor mit einer Funkfernbedienung. Den Hinterliegern händigte er lediglich einen Schlüssel aus, mit der Begründung aus, das Tor könne jederzeit mit dem Schlüssel geöffnet werden. Eine Fernbedienung sei nicht erforderlich.

 

Das Landgericht Berlin gab dem Vorderlieger Recht. Er sei verpflichtet, dem Hinterliegen den Zugang zu seinem Grundstück zu gewähren. Einen Anspruch auf einen bestimmten Zugang habe der Hinterlieger hingegen nicht.

 

Rechtstipp:

Der Eigentümer des vorderen Grundstücks muss dem Eigentümer des hinteren Grundstücks lediglich den Zugang ermöglichen. Ein Recht auf eine bestimmte Art und Weise des Zugangs besitzt der Hinterlieger allerdings nicht.

 

 

Beispiel Nr. 2:

 

Die Kläger waren Eigentümer des vorderen Grundstücks (Vorderlieger). Die Grundsstücke der Beklagten (Hinterlieger), auf denen sich Stellplätze befinden, lagen hinter dem klägerischen Grundstück. Auf dem Grundstück der Kläger war zugunsten der Beklagten ein Geh,-Fahr und Leitungsrecht ins Grundbuch eingetragen. Seit dem Bau der Häuser waren die Grundstücke nicht eingefriedet. Nunmehr entschlossen sich die Kläger ihr Grundstück einzufrieden und errichteten am Zufahrtsweg ein Einfahrtstor. Die Beklagten waren damit nicht einverstanden. Sie verlangten von den Klägern, das Tor ständig offen zu halten. Die Kläger verlangten von den Beklagten, das Tor ständig geschlossen zu halten und übergaben ihnen einen Schlüssel.  

 

Das Amtsgericht Schöneberg gab den Klägern Recht. Die Beklagten wurden verurteilt, das Einfahrtstor beim Betreten und Verlassen des Grundstücks ordnungsgemäß zu schließen und geschlossen zu halten.

 

Rechtstipp: Derjenige, der sein Grundstück einfriedet, hat das Recht den Zufahrtsweg mit einem Einfahrtstor zu versehen. Er kann verlangen, dass das Tor ordnungsgemäß geschlossen und geschlossen gehalten wird. Er muss nicht dulden, dass das Tor offengelassen wird.

 

 

Beispiel Nr. 3:

 

(AG Schöneberg, Az. 2 C 27/16)

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Das klägerische Grundstück liegt an der Straße. Das Grundstück der Beklagten liegt hinter dem Grundstück der Kläger. Zugunsten der Beklagten ist auf dem Grundstück der Kläger ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht im Grundbuch eingetragen. Auf diesem Grundstückstreifen befindet sich ein mit Waschbetonplatten befestigter Weg, der zum Haus der Beklagten führt. Auf diesem Grundstücksstreifen befinden sich sämtliche Versorgungsleitungen der Beklagten, darunter auch ein Versorgungsschacht, der mit einer Schachtabdeckung verschlossen ist. Im Jahr 2015 führten die Beklagten am Versorgungsschacht Bauarbeiten durch. Nach dem Abschluss der Bauarbeiten stellten die Kläger fest, dass der Versorgungsschacht höher lag als die Fahrbahn und die Waschbetonplatten im Bereich der Einfahrt des Grundstücks uneben waren.

Nachdem die Kläger die Beklagten außergerichtlich erfolglos aufgefordert hatten, den Zufahrtsweg und den Versorgungsschacht fachgerecht wiederherzustellen, haben sie vor dem Amtsgericht Klage erhoben.

 

Das Gericht hat die Beklagten verurteilt, den Versorgungsschacht fachgerecht zu errichten, die Erdsenkungen um den Schacht zu beseitigen und Senkungen der Kiesbetonplatten auf der Zufahrt zu begradigen.

 

Den Anspruch der Kläger begründete das Gericht aus §§ 1028, 1020 BGB. Die Beklagten haben als Nutznießer der Grunddienstbarkeit eine Erhaltungspflicht. Diese Pflicht erstreckt sich sowohl auf dem Weg als auch auf den Versorgungsschachtauch. Deswegen sind die Beklagten verpflichtet, die Anlagen in einem ordnungsgemäßen Zustand zu er erhalten und Beeinträchtigungen des fremden Eigentums zu vermeiden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen lag der Schacht bis zu 40 mm höher als der übrige Fahrweg und die Betonplatten wiesen erhebliche Schiefstellung auf. Der Einwand der Beklagten, sie hätten damals den Schacht nach den technischen Vorgaben der Wasserbetriebe und fachgerecht errichten lassen, sah das Gericht als unerheblich an. Aus Sicht des Gerichts war der aktuelle Zustand entscheidend und die Pflicht, für die Anlagen des dienenden Grundstücks und insbesondere für ihrer Funktionsfähigkeit zu sorgen, entscheidend. Hiernach waren sie verpflichtet, nach den Bauarbeiten den ordnungsgemäßen Zustand der Anlagen wiederherzustellen.  

 

Rechtstipp:

Der Nutzer eines Geh-, Fahr- und Leitungsrechts ist verpflichtet, die Anlage (Weg und andere Vorrichtungen) des dienenden Grundstücks in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und von ihr ausgehende Beeinträchtigungen möglichst zu vermeiden.

 

Beispiel 4:

Kann ein gewohnheitsrechtliches Wegerecht auf Grund jahrzehntelanger Duldung durch den Nachbarn begründet werden?

 

Die Kläger sind Eigentümer dreier nebeneinander an der öffentlichen Straße liegender Grundstücke, die mit drei aneinandergrenzenden Häuser bebaut sind. Im rückwärtigen Teil dieser Grundstücke befinden sich Garagen, die baurechtlich nicht genehmigt sind. Die Beklagte ist Eigentümerin von Grundstücken, auf denen sich ein Weg befindet, über den die Kläger ihre Garagen und ihre rückwärtigen Bereiche ihrer vorne über die Straße erschlossenen Grundstücke erreichen. Eine Nutzung des Weges wurde seit Jahrzehnten durch frühere Eigentümer und nach der Grundstücksübertragung auch durch die Beklagte geduldet. Mit Wirkung zum 31. 12.2016 erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern die „Kündigung des Leihvertrages über das vor über 30 Jahren bestellte, schuldrechtliche Wegerecht“. Sie kündigte an, den Weg zu sperren und begann mit dem Bau einer Toranlage. Unter Berufung auf ein schuldrechtliches Wegerecht und Notwegrecht verlangen die Kläger von der Beklagten, die Sperrung des Wegs zu unterlassen.

 

Das Landgericht hat den Klägern Recht gegeben und die Beklagte verpflichtet, es zu unterlassen, den Klägern nicht an der Nutzung des Wegerechts zu hindern, insbesondere durch das Anbringen eines Tores mit Schließanlage. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen mit der Begründung, dass die Kläger aus Gewohnheitsrecht zur Nutzung des Weges verpflichtet sind.

 

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das angefochtene Urteil aufgehoben und an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Nach der Auffassung des Gerichts können sich die Kläger nicht auf ein Gewohnheitsrecht berufen. Ein Gewohnheitsrecht entsteht durch langjährige tatsächliche allgemeine Übung, die von den Beteiligten als verbindliche Norm anerkannt wird. Das Gewohnheitsrecht kann als dem Gesetz gleichwertige Rechtsquelle sein, wenn die Beteiligten die ungeschriebene „Rechtsnorm“ für eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen und allgemein unter Nachbarn anerkennen und nicht lediglich im Einzelfall zwischen einzelnen Grundstückseigentümern. In einem konkreten Rechtsverhältnis, wie im vorliegenden Fall, kann ein Wegerecht außerhalb des Grundbuchs nur auf schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegerecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB entstehen, nicht jedoch durch jahrzehntelange Übung unter Grundstücksnachbarn.

 

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das OLG Köln zurückgewiesen. Das OLG muss prüfen, ob den Klägern ein Notwegerecht zusteht. Dies wäre dann der Fall, wenn eine ordnungsgemäße Nutzung des Garagengrundstücks eine Zufahrt über das Nachbargrundstück erforderlich wäre. Dabei wird eine Rolle spielen, dass die Garagen nicht genehmigt waren.

 

(BGH, Urteil vom 24.1.2020, Az. V Z 155/18).

 

Rechtstipp:

Es gibt kein gewohnheitsrechtliches Wegerecht auf Grund jahrzehntelanger Duldung durch den Nachbarn.

Ein Wegerecht kann außer durch Eintragung in das Grundbuch nur durch eine schuldrechtliche Vereinbarung mit dem Nachbarn oder als Notwegerecht gem. § 917 BGB begründet werden.

Achtung: Das schulrechtlich vereinbarte Wegerecht kann durch Kündigung des Vertrages beendet werden.

Überwachungskameras

 

Darf man auf dem eigenen Grundstück eine Überwachungskamera unstallieren? 

Beispiel 1:

WildCam in einer WEG

(AG München, Urteil vom 28.2.2019, Az. 484 C 18186/18 WEG)

(Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 17.5.2019)

 

Kläger und Beklagte sind Eigentümer je einer Wohnung in einer WEG. Am 10.7.2018 installierte der Beklagte am Balkon seiner Wohnung eine Überwachungskamera. Diese befand sich in 10 m Höhe und war auf die Gemeinschaftsflächen des Gemeinschaftsgarten ausgerichtet. Auf Verlangen der Miteigentümer entfernte er die Kamera. Die entsprechende Unterlassungserklärung unterschrieb er jedoch nicht.

 

Der Beklagte, der vor der mündlichen Verhandlung noch erklärte, dass es sich um eine Kameraattrappe handelte, gab in der mündlichen Verhandlung an, dass es sich um ein Gerät handelt, wie es Jäger verwenden würden, mittels einer Schlinge an einem Baum befestigen und z.B. auf ein Fuchsbau richten. Sie machen nur dann Bilder, wenn es sich im Fuchsbau etwas bewegt. Auf die Frage des Gerichts nach dem Warum erklärte er, es sei ein absoluter Quatsch gewesen. Die Entfernung von 15 m zu den Gemeinschaftsflächen sei zu groß. Das Gerät könne sich nur dann einschalten, wenn sich in einer Entfernung von 3 m bewegt und dann ein Bild machen. Nicht zuletzt sei im Erdgeschoss des Anwesens schon zweimal eingebrochen. Seinem Sohn seien zwei Fahrräder aus der nahegelegenen Tiefgarage gestohlen worden.

 

Der Kläger hat Klage erhoben mit der Begründung, er möchte nicht aufgenommen werden, wenn er sich auf der Gemeinschaftsfläche aufhält und fühle sich durch die Kamera gestört. Ein Antrag des Beklagten auf Genehmigung durch die Eigentümergemeinschaft gab es im Oktober 2018 nicht.

 

Das Amtsgericht gab dem Kläger Recht und verurteilte den Beklagten, es zu unterlassen, die Gemeinschaftsflächen seiner Wohnungseigentümergemeinschaft mit technischen Geräten zu überwachen.

 

Die Entscheidung wurde wie folgt begründet:

„Entsprechend der obergerichtlichen Rechtsprechung kann die Installation einer Videokamera zwar durchaus von dem Gebrauchsrecht des Eigentümers oder Sondereigentümers umfasst sein. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Kamera ausschließlich auf Bereiche ausgerichtet ist und Bereiche erfasst, die dem Sondereigentum des jeweiligen Eigentümers zugehören.“

 

Die Installation der WildCam unter den oben Beschriebenen Voraussetzungen war rechtswidrig und beeinträchtigte der Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht. Unstreitig war, dass sie auf die Gemeinschaftsflächen ausgerichtet war. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die WildCam nur in einer Weite von 3 m filmen kann. Die Rechtsprechung sieht es regelmäßig als unzulässig an, wenn durch eine Kamera (auch Attrappe) ein unzulässiger Überwachungsdruck aufgebaut wird. Denn für die anderen Miteigentümer oder Mieter ist nicht erkennbar, ob und wann die Kamera aufnimmt. Darin sieht die Rechtsprechung ein unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen. Im konkreten Fall lag auch kein Beschluss der Eigentümergemeinschaft vor.

 

Das Urteil des Amtsgerichts ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig geworden.

 

Rechtstipp:

Wenn ein Eigentümer eine Überwachungskamera aufstellt, muss dafür Sorge tragen, dass diese ausschließlich sein Eigentum erfasst. Ein Hinweis auf die Videoüberwachung ist erforderlich. Die Kamera darf ihren Winkel nicht automatisch ändern.

 

Ein Eigentümer in einer WEG muss sicherstellen, dass die Kamera nur sein Sondereigentum erfasst.  

Ohne entsprechenden Beschluss der WEG dürfen Gemeinschaftsflächen nicht erfasst werden.

 

Eine Attrappe als Abschreckung ist unzulässig. Es kann nicht nachgewiesen werden, auf welchen Flächen sie ausgerichtet ist. Im Übrigen erfüllt sie ihren zweck nicht, denn sie liefert keine Bilder.

 

Beispiel 2:

  

Darf eine Überwachungskamera vom eigenen Grundstück auf das  Nachbargrundstück gerichtet sein?

 (AG München, Urteil vom 22.11.2018, Az. 213 C 15498/18)

(Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 30.11.2018)

 

Die Parteien sind Nachbar in München und seit mehreren Jahren in Streit. Die Kläger bewohnen mit ihren Kindern ein Haus mit einem angebauten Wintergarten. Der Beklagte bewohnt das unmittelbar angrenzende Haus. Das Anwesen des Beklagten wurde durch Dritte mehrfach im Grenzbereich zum Wintergarten der Kläger beschädigt.

 

Anfang 2017 installierte der Beklagte zwei Überwachungskameras, welche von dem erfassten Bereich Aufzeichnungen fertigen und deren Einstellungsbereich nur manuell geändert werden kann.

 

Der Kläger zeigte den Beklagten bei der Polizei im März 2018 wegen der Anfertigung von Videoaufnahmen seines Grundstücks an. Am 19.7.2018 um 6.30 Uhr wurde das Anwesen des Beklagten in Vollzug eines entsprechenden richterlichen Beschlusses durchsucht. Die Kameras waren nach den Erkenntnissen der Polizei so eingestellt, dass sie ausschließlich Bilder vom Grundstück des Beklagten zeigten.

 

Die Kläger haben Klage auf Beseitigung der Kameras und auf Unterlassung der Anbringung anderer Kameras erhoben mit der Begründung, eine der Kamera sei unmittelbar auf Ihren Wintergarten ausgerichtet und würde u.a. ihre dort nackt spielenden Kinder filmen. Sie könnten ihrerseits durch das Dach des Wintergartens direkt in die Linse der Kamera schauen. Der Beklagte habe sich auf die Durchsuchung vorbereitet.  Jedenfalls bestehe ihrerseits ein „Überwachungsdruck“, da der Beklagte jederzeit die Kamera auf Aufzeichnung ihres Grundstücks umstellen könne.

 

Der Beklagte verteidigte sich mit der Begründung, die Überwachungskamera seien zur Verhinderung weiterer Beschädigungen nur auf Vorgänge auf seinem Grundstück ausgerichtet, wie die Polizei dies festgestellt hatte. Die bloße Möglichkeit einer Veränderung der Einstellung der Videokameras sei unerheblich.

 

Die Klage wurde vom Amtsgericht abgewiesen.  Aus den vorgelegten Nahaufnahmen der betreffenden Kameras sei zu erkennen gewesen, dass die Linse der hinteren Kameraerkennbar von dem Grundstück der Kläger weg zeigt und die Linse der vorderen Kamera an dem Wintergarten der Kläger vorbei auf das eigene Vordach des Beklagten und somit nicht auf den Garten und den Wintergarten der Kläger ausgerichtet ist. Die Polizeibeamten konnten über das Smartphone des Beklagten Live-Bilder der installierten Kameras einsehen und feststellen, dass die Kameras im Zeitpunkt des Vollzuges des Durchsuchungsbeschlusses nur der den Lebensbereich des Beklagten gefilmt haben.

 

Ob es sich um einen „Überwachungsdruck“ und um einen unzulässigen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre handelt, meinte das Gericht muss auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt werden. Allein die Tatsache, dass die Parteien seit Jahren in Streit sind, reicht für sich genommen noch nicht aus, um einen entsprechenden Überwachungsdruck zu begründen. Der Beklagte hat ausgeführt, dass er sich nur vor weiteren Manipulationen schützen wolle.

 

 

Das Urteil des Amtsgerichts ist nach der Pressemitteilung noch nicht rechtskräftig geworden.

 

 

Rechtstipp:

Ein Eigentümer darf auf seinem Privatgrundstück eine Überwachungskamera aufstellen:

wenn objektiv feststeht, dass dadurch öffentliche und private Flächen Dritter nicht erfasst werden;

wenn eine solche Erfassung nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung möglich ist (d.h. die Kamera darf nicht den Winkel automatisch verändern);

wenn Recht Dritter nicht beeinträchtigt werden.

(BGH Urteil vom 16.3.2010, Az. VI ZR 176/09)

 

Beispiel 3:

Darf man die Attrappe einer Überwachungskamera im Hauseingang aufstellen?

 (AG Berlin Mitte, Urteil vom 22.2.2018; Az. 25 C 161/17;

Landgericht Berlin, Urteil vom 14.8.2018, 67 S 73/18)

 

Ein Wohnungseigentümer in Berlin wehrte sich gegen das Anbringen einer Überwachungskamera-Attrappe im Hauseingang durch den Vermieter. Diese sollte dazu dienen, den zutritt eines Obdachlosen ins Haus zu verhindern, der in der Vergangenheit im Haus genächtigt hat. Die Kamera wirkte täuschend echt. Der Kläger, ein Mieter im Haus, fühlte sich dadurch überwacht und verlangte vom beklagten Vermieter Entfernung der Überwachungskamera.

 

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung stützte das Gericht darauf, dass durch eine Kamera-Attrappe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht eingegriffen werden kann. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Das Landgericht hat zugunsten des Klägers entschieden und das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben.

 

Das Landgericht war der Ansicht, dass die Kamera des Beklagten einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellt. Da die Attrappe täuschend echt wirkte und es nicht ersichtlich war, dass damit keine Aufzeichnungen betrieben werden können, habe ein unzulässiger Überwachungsdruck vorgelegen. Dieser sei auch nicht zum Schutz des Eigentums gerechtfertigt. Denn im vorliegenden Fall habe ein weniger belastendes und ein damit milderes und gleich effektives Mittel zum Schutz des Eigentums gegeben, nämlich eine technische Veränderung der Haustür, durch die sichergestellt werden könne, dass die Tür schnell ins Schloss falle. Dadurch könne ein unberechtigter Zutritt verlässlich verhindert werden.

 

 Rechtstipp:

 

Die Zulässigkeit von Überwachungskamera-Attrappen unterliegt den gleichen Voraussetzungen wie bei den echten Überwachungskamera. Nämlich:

 

Ein Eigentümer darf auf seinem Privatgrundstück eine Überwachungskamera aufstellen, wenn:

objektiv feststeht, dass dadurch öffentliche und private Flächen Dritter nicht erfasst werden;

eine solche Erfassung nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung möglich ist (d.h. die Kamera darf nicht den Winkel automatisch verändern);

Recht Dritter nicht beeinträchtigt werden.

(BGH Urteil vom 16.3.2010, Az. VI ZR 176/09).

Im Verglich zu den echten Überwachungskamera haben die Attrappen zwei entscheidenden Nachteile:

Sie liefern keine Bilder.

Man kann nicht beweisen, dass sie ausschließlich auf das eigene Grundstück gerichtet sind.

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Rechtsanwältin Dr. Blagovesta Kassabova | info@kanzlei-kassabova.de Telefon: 030 75 51 66 90 Telefax 030 75 51 66 91

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